Leseprobe: Warum Sie dieses Buch lesen sollten

Dieses Buch zeigt Ihnen, wie tot geglaubte Dörfer auf dem Land zum Leben erweckt, Schlafdörfer in der Agglomeration wachgeküsst und anonyme Städte zu einem menschenfreundlichen Lebensraum entwickelt werden können. Dabei spielen Werte – und damit u.a. auch die Kirchen als Orte, wo über Jahrhunderte hinweg Werte geschmiedet wurden – eine wichtige Rolle.

Falls Ihnen die ganzheitliche Entwicklung Ihres Dorfes, Ihrer Region oder Ihrer Stadt wichtig ist, sollten Sie dieses Buch lesen. Ihr Interesse ist bereits überdurchschnittlich. Die meisten Einwohnerinnen und Einwohner unserer Dörfer, Regionen und Städte möchten nämlich vor allem eines: in Ruhe gelassen werden. Diese Denkart geht in etwa so: «Gut, dass es ein paar Leute an der Spitze der Gemeinde gibt, die mithilfe einer kompetenten Verwaltung dafür sorgen, dass der Karren läuft und der Steuersatz nicht steigt.»

Vielleicht gehören Sie aber auch zur schweigenden Mehrheit: Ihr Dorf, Ihre Region oder Ihre Stadt ist einfach der Ort, wo Sie in Ruhe schlafen und wo Sie sich am Wochenende in einem privaten Rahmen von Ihrer Arbeit erholen wollen. Das ist natürlich völlig legitim. Sie unterstützen Ihren Wohnort wenigstens mit Ihren Steuern. Und das ist je nachdem schon ziemlich hilfreich. Gerade für Agglomerationsgemeinden – Gemeinden also, die in der Nähe einer Stadt liegen, in der die Menschen arbeiten – ist dieses Schicksal als Schlafdorf sozusagen vorprogrammiert. In dieser Situation kann ich Ihnen dieses Buch aber zumindest als Bettlektüre empfehlen. Verbunden mit dem Risiko – und meiner Hoffnung –, dass viele aus dem Schlaf erwachen ...

 

Drei Ausgangslagen für Gemeinden

Fachleute sagen, dass sich vor allem zwei Typen von Gemeinden für werteorientierte Ortsentwicklungen interessieren: Einmal Orte, die eine Abwärtsentwicklung erleben. Diese Dörfer liegen meist am Rand, oft zuhinterst in einem Tal oder in einem Berggebiet, in Gegenden also, die kaum Arbeitsplätze anbieten können. Es sind Orte, die ihre jungen Menschen an die Zentren in der Ferne verlieren. Diese Dörfer stehen vor der Wahl, nichts zu tun und unterzugehen – oder bewusst wieder aufzustehen.

Das klassische Beispiel für ein solches Aufstehen ist das 2000-Seelen-Dorf Steinbach an der Steyr in Oberösterreich. Steinbach hat mir die entscheidenden ersten Impulse für die Praxis einer werteorientierten Ortsentwicklung gegeben.

Der zweite Ortstyp sieht so aus: Wir sprechen von einem Dorf, das ausreichend mit guten Steuerzahlern bestückt ist. Sie sorgen dafür, dass es der Gemeinde zumindest finanziell gut geht. Hier ist die werteorientierte Ortsentwicklung ein Luxusthema, das man gerne mal aus Neugier anpackt. Allerdings braucht es auch in diesem Fall engagierte Bürgerinnen und Bürger und ein Gemeindepräsidium, das mehr als nur Dienst nach Vorschrift macht. Das lässt sich am Beispiel der Agglomerationsgemeinde Wilen TG zeigen. Sie liegt unmittelbar neben der Stadt Wil SG.

Ich möchte diese beiden Grundtypen ergänzen mit Gemeinden, die irgendwo dazwischen liegen. Sie befinden sich in einem ländlichen Gebiet, gehören (noch) nicht zur Agglomeration und kämpfen mit einem typischen Gegensatz in der Bevölkerung: Hier die ländliche einheimische Bevölkerung, die es sich gewohnt ist, das Wohl des Dorfes im Blick zu behalten – und auf der anderen Seite Zuzüger, die in der Stadt arbeiten, entsprechend urban denken und sich dem Dorfleben gegenüber oft gleichgültig verhalten. Eine werteorientierte Ortsentwicklung verbindet die besten Kräfte aus beiden «Lagern»: Menschen, die ein Bewusstsein für gemeinsame Werte haben, und solche, die eine Weiterentwicklung ihres Ortes im Blick haben.

Das dazu passende Beispiel in diesem Buch ist das Emmentaler Dorf Oberdiessbach, in dem ich seit 1994 wohne und arbeite, nachdem ich mit meiner Familie während rund zwölf Jahren in der Stadt St.Gallen gelebt hatte.

Übrigens: Auch Städte brauchen eine bewusste Ortsentwicklung. Sie beginnt in der Regel in den Quartieren und zwar oft ganz im Kleinen. Damals in St.Gallen begann diese Entwicklung in unserm Quartier mit einer gemeinsamen Kompostieranlage in den Schrebergärten.

Quartierentwicklungen verlaufen ähnlich wie werteorientierte Dorfentwicklungen, die in diesem Buch im Vordergrund stehen. Die meisten Prinzipien der Ortsentwicklung können deshalb direkt auf eine städtische Quartierentwicklung übertragen werden. In Städten gibt es dann aber auch Bereiche wie Infrastruktur- und Verkehrsfragen, die nur gesamtstädtisch gelöst werden können. Wir zeigen dies etwa am Beispiel der Stadt Bülach ZH.

In allen Fällen ist es aber immer die Bevölkerung – oder zumindest ein Teil davon –, die den Zustand des Dorfes, der Region oder des Stadtquartiers bewusst wahrnimmt und eine Entwicklung zum Besseren einleiten will. Deshalb steht die Bevölkerung ganz bewusst in der Überschrift dieses Buches. Das sind Menschen wie Sie und ich, die sich bewusst oder unbewusst auf gemeinsame Werte besinnen und entsprechend handeln wollen.

 

Die Rolle der Kirchen

Und damit sind wir beim zweiten Teil des Buchtitels. Hier kommen, für manche vielleicht überraschend, die Kirchen ins Spiel.

Es gibt drei Gründe, warum ich der Kirche nicht nur einen Teil des Titels, sondern sogar einen Teil dieses Buches gewidmet habe. Einerseits habe ich die Früchte einer werteorientierten Ortsentwicklung erstmals in Steinbach an der Steyr gesehen: Ich traf dort auf Menschen, die, von den Werten ihres Glaubens geprägt, ihr Dorf mitten in der Hoffnungslosigkeit neu aufgebaut haben.

Zudem zeigt ein Blick in die Geschichte unserer westlichen Kultur, dass das Christentum mit seiner Weltanschauung und seinen Werten unsere Gesellschaft nachhaltig geprägt hat. Ich wollte es deshalb nicht versäumen, diese Hintergründe auszuleuchten, verbunden mit der Frage, wie die Kirchen uns heute für die werteorientierte Ortsentwicklung inspirieren können.

Schliesslich versuche ich auch selber, mein Denken, Glauben und Handeln aufgrund eines christlichen Weltbildes zu gestalten und zu entwickeln. Diese Haltung fliesst naturgemäss in dieses Buch ein.